Ausstellungen

Meisterwerke deutscher Zeichenkunst
im 19. Jahrhundert 

12.10.2025 – 11.01.2026

 

„Vom Akt zur Karikatur“ - mit diesem Eindruck könnte man den Rundgang durch die zweite Jubiläumsschau beginnen und nach Durchschreiten von 12 Themenräumen abschließen. Wäre das zugleich die kuratorisch beabsichtigte Erkenntnis? Der Lauf durch die Kunst der Zeichnung ist doch wie das 19. Jahrhundert selbst weitaus verschlungener, erhellender, vielschichtiger. Dass der Humor eine wichtige Rolle in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts spielt – mal offensichtlich, mal immanent – ist in einer Kunstepoche, die von Carl Spitzweg bis zu den Illustratoren der politisch frechen Satireblätter des Simplicissimus reicht, nicht von der Hand zu weisen. Doch die Sammlung Georg Schäfer, die Auswahl der 150 Aquarelle und Zeichnungen sowie die Anordnung des neuen Themenspektrums lassen auch andere Schlüsse und neue Erkenntnisse zu. Tatsächlich beginnt die Ausstellung mit „Mensch, Figur, Akt“ als einer originär akademischen Aufgabe, der sich noch heute Künstlerinnen und Künstler im Kunststudium zu stellen haben. Darauf folgt das Kapitel „Familie“, wo die erlernten künstlerischen Fähigkeiten an den Proportionen der Menschen sogleich kritisch in Augenschein genommen werden können. Kritisch besonders dann, wenn wie im Fall des Johann Georg von Dillis die Modelle im Familienkreis gesucht wurden. Dillis zeichnete vortrefflich seinen schlafenden jüngeren Bruder, womit sich erneut der Humor Zutritt verschafft und die Abgrenzung zur Karikatur nicht leicht fällt. Doch spätestens beim Themenkreis „Landschaft, Umwelt, Naturmonument“ erkennt das Auge auch die karikaturfreie Liebe zum malerischen Objekt und ist erstaunt, wie die Künstler der Romantik ausschnitthaft, detailbewusst und mit zartem Stift vorgingen. Beim Thema „Botanik“ wird noch die Diskussion der Systematik deutlich, die heute längst der Taxonomie des Carl von Linné (1707-1778) folgt. Nach 1900 entlockt Lovis Corinth dagegen seinem Aquarell eines in der Wetter-Realität mitunter recht düster wirkenden bayerischen Alpengewässers namens Walchensee ein tiefes Blau jenseits aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Ein Blau, das die kantigen Bergzüge, die Wolken wie auch die Betrachter geradezu entmaterialisiert. „Sentimental“ versammelt als modernes Thema Bilder von Menschen, die lieben, leiden und deren Seelenzustand Gefühle auslöst.
 

Lovis Corinth, Schöner Morgen am Walchensee, 1919 © Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Johann Georg von Dillis, Des Künstlers Bruder Cantius Dillis schlafend,  um 1795
© Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Es folgen noch andere spannende Themen, die nicht nur die phantasiereiche Welt der Kunst und ihren Eigenbezug im Sinne von l’art-pour-l’art, sondern oft auch ganz einfach die Sicht auf die damalige Welt eröffnen, eine Welt, die Krieg und Frieden sah und ihren Moden genauso folgte wie etwa den naturwissenschaftlichen Neuerungen. Man wird also nicht unbedingt mit der Erkenntnis „Früher war alles besser“ oder gar „Humor ist Trumpf“ nach Hause oder ins Museumscafé gehen. Es reicht, das nicht näher definierbare Gefühl mitzunehmen, hier auf etwas Unvermutetes, auf etwas Vergangenes und doch irgendwie Aktuelles gestoßen zu sein. Insofern richtet sich diese Ausstellungen nicht nur an Freunde der Kunst, sondern auch an Interessierte der deutschen Geschichte, der deutschen Sitten und Gebräuche und ja: auch des deutschen Humors.

Die Abfolge der Themenkreise wird durch einige Hauptwerke der Künstlergruppe ZERO der 1960-80er Jahre unterbrochen, die an den im Jahr 2019 verstorbenen Großneffen Georg Schäfers, Dr. Hans Burchard von Harling, erinnern.

Erschienen ist ein neuer Bestandskatalog mit einer Auswahl von über 200 Meisterwerken der Zeichenkunst in der Sammlung Georg Schäfer. Er enthält Abbildungen aller Werke, Texte von 33 Autorinnen und Autoren und die Ergebnisse der mehrjährigen Provenienzforschung.

Kurator: Wolf Eiermann

Eintrittspreise: 9 €, ermäßigt 7 €